Toiletten und Umkleidekabinen für Frauen als Definitionsraum – ein paar Gedanken
Die Diskussion in den sozialen Netzwerken über die Frage, ob Transfrauen die Schutzräume von Frauen benutzen dürfen, verläuft immer ähnlich. Und sie ist von falschen Annahmen geprägt.
Weibliche Schutzräume wie Toiletten oder Umkleidekabinen waren eine Errungenschaft, die es Frauen erlaubte, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Andere Räume für Frauen haben sich aus unterschiedlichen Bedürfnis von Frauen entwickelt, zum Beispiel dem Wunsch, sich abseits der Beurteilung von Männern ausleben zu können, reine Frauenfitnessstudios entstanden. Bis vor einigen Jahren wurden Frauenräume weder in Frage gestellt noch prinzipiell als Ort begriffen, an dem sich weibliche Identität bestätigen lässt. Sie waren einfach der Notwendigkeit geschuldet, sich in einem immer noch von Männern dominierten System zurechtzufinden.
Das hat sich geändert. „Die Existenz absprechen“, dem Vorwurf sehen sich Frauen ausgesetzt, die diese von Frauen erschaffenen Räume für biologische Frauen erhalten wollen. Diskriminierend und ausschließend seien Frauen, die Transfrauen – also transidente Männer - aus ihren Räumen fernhalten wollen, vor allem jene, die sich per Sprechakt zur Frau erklären, ohne sich operativ oder hormonell “anzupassen”. Männer also, die Weiblichkeit für sich beanspruchen, aber nicht im klassischen Sinn transsexuell sind. Am konkreten Raum, der Toilette, werden die Kämpfe ausgefochten, bei denen es im Hintergrund immer auch um die Frage geht, wer die Definitionshoheit über das Wort Frau erhält.
Dämonen
Gegen die Forderung von Transaktivisten, Frauen sollten nicht nur die Exklusivität des sie bezeichnenden Wortes verzichten, sondern auch auf die Exklusivität ihrer Räume, gab und gibt es von (radikal-)feministischer Seite zunehmend Prostest. Die Folgen einer Öffnung sind aus Ländern, die die sog. Self ID schon länger gesetzlich verankert haben, wohlbekannt. Es gibt eine Zahl belegbarer Fälle aus Ländern wie USA, Kanada und Schottland, in denen transidente Straftäter zu weiblichen Gefängnisinsassen verlegt wurden, wo sie dann erneut straffällig wurden und weibliche Mitgefangene vergewaltigten. Dies muss nicht verwundern, denn es ist bekannt, dass transidente Männer das Gewaltmuster ihres biologischen Geschlechts behalten. Das Problem ist (noch) zahlenmäßig klein, aber vorhanden. Und es wächst.
Genau diese Thematisierung von Schutzräumen wird von transaktivistischer Seite kritisiert. Genderkritische Feministinnen würden Transfrauen durch einen Generalverdacht dämonisieren, lautet ein Vorwurf. „Dämonisierung“ bedeutet, von der Schlechtigkeit einer gesamten Gruppe auszugehen. Wer dämonisiert, stellt einzelne, seltene Beispiele tatsächlich problematischen Verhaltens, wie es in einer Gruppe vorkommen kann, als sichtbares Zeichen einer allgemeinen, angeborenen Bösartigkeit und Gefährlichkeit dar. Die Einzelbeispiele dokumentieren also jeweils ein Verhalten, das den Angehörigen der Gruppe als angeboren und essentiell zugehörig zugesprochen wird. Wenn Frauen erklären, sie wollen aus Sicherheitsgründen keine Transfrauen in Toiletten oder Umkleidekabinen, wird ihnen diese Form der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ vorgeworfen. Doch dieser Vorwurf ist in fast allen Fällen unberechtigt. Denn nicht jede Pauschalisierung und jeder „Generalverdacht“ hat etwas mit dieser – rechten - Form des Menschenhasses zu tun.
Kein Konzept ist perfekt
Pauschalisierungen sind manchmal unerlässlich. Das Konzept von Schutzräumen beispielsweise funktioniert überhaupt nur durch Pauschalisierungen, indem also eine gesamte Personengruppe unabhängig vom Verhalten einzelner Angehörige dieser Gruppe, als potentielle Gefahr betrachtet wird. So funktionieren Schutzmaßnahmen im allgemeinen. Auch eine verschlossene Tür basiert so betrachtet auf einem Generalverdacht, sie ist für jeden unbefugten Menschen ohne Schlüssel verschlossen, auch für die Mehrzahl der Menschen, die sich eine offene Tür niemals zunutze machen würden.
Schutzmaßnahmen schützen auch niemals perfekt. Sie funktionieren nicht in jeder Situation und für jede Person, da sie notwendig auf Standardsituationen zugeschnitten sind. Das heißt, auch wenn grundsätzlich entschieden wird, dass ein Raum nur Frauen vorbehalten ist, lässt sich weder vermeiden, dass ihn auch vereinzelt Transfrauen nutzen - gerade wenn sie gut „angepasst“ sind - noch lässt sich mit letzter Sicherheit ausschließen, dass Männer in missbräuchlicher Absicht hereinkommen. Diese Fehleranfälligkeit des Konzeptes beweist aber nicht, wie uns von transaktivistischer Seite aus weis gemacht werden soll, dass das Konzept grundsätzlich nicht ungeeignet ist. Eben weil es bei allen Schutzmaßnahmen nur darum gehen kann, die Wahrscheinlichkeit für Übergriffe zu senken.
Unter Beobachtung
„Willst du etwa eine Einlasskontrolle vor die Schutzräume stellen und Genitalien kontrollieren?“ , heißt es von transaktivistischer Seite oft provokant. Weil das Geschlecht in der Tat in einigen seltenen Fällen falsch „gelesen“ werden kann, wird hier von Transgender-Bewegten regelmäßig eine generelle Blindheit in der Sache behauptet, als könne man nur durch Inspektion der Genitalien Klarheit erhalten. Solche Fragen wollen darauf hinaus, dass es für nach biologischen Geschlechtern getrennte Räume angeblich notwendig Wächter braucht, die diese Auslese in Mann und Frau umsetzen und also intime Grenzen überschreiten, was den Geist vergangener schlimmer Zeiten heraufbeschwört.
Doch ein solches System braucht keine Gatekeeper, weil ein soziales System wie getrennte Toiletten stets einen Toleranzbereich hat und pragmatisch umgesetzt wird. Transidente Männer wissen in der Regel sehr genau, ob sie Irritation und Angst auslösen oder – im Falle eines guten Passings, das oft mit einem post-OP-Transitionsstadium einhergeht – nicht weiter auffallen. Vereinzelte kleinere Regelbrüche sind ärgerlich, aber, wie in anderen Situationen auch, hinzunehmen. Das Schutzprinzip braucht keine totalitäre Umsetzung, um einigermaßen zu funktionieren. Dieses Argument, es brauche ein Regime an autoritären Wächterinnen, wird geäußert, um genderkritische Frauen, die auf eigene Räume beharren, in die Ecke von Extremistinnen zu rücken. Eine Radikalität wird in den Diskurs gebracht, die gar nicht vorhanden ist.
Nein, wir brauchen kein Gatekeeping-Konzept, um geschlechtsgetrennte Räueme umzusetzen. Denn geschlechtsgetrennte Bereiche werden hauptsächlich über soziale Kontrolle sowie verinnerlichtes soziales Anpassungsverhalten realisiert. Normalisierte Abläufe sorgen dafür, dass unübliches Verhalten erkannt wird und die Alarmglocken läuten. Männer, aber auch als Männer erkennbare Transfrauen, die sich in weibliche Räume „verirren“, müssen (noch) mit irritierten Blicken oder Beschwerden bei Restaurantmitarbeitern, Bademeister oder gar Polizei rechnen, können jedenfalls nicht davon ausgehen, Räume für Frauen unbehelligt zu betreten. Die Behauptung, Männer mit missbräuchlicher Absicht würden sich von einer falschen, ihnen den Zutritt verweigernden Tür nicht abhalten lassen, verkennt, dass der triebhafte, dämonische, zu allem entschlossene Täter, der seinen Trieb sofort befriedigen muss, die Ausnahme ist. Die meisten Täter warten eine günstige Gelegenheit ab, um ihre Missbrauchsvorstellungen zu realisieren, oder kommen in bestimmten Konstellationen überhaupt erst auf die Idee, ihre frauenfeindlichen Absichten umzusetzen. Nahezu 90% aller der auf Toiletten vorkommenden Fälle von Voyeurismus und sexueller Übergriffe passieren laut einer Recherche von „Times“ auf Unisex-Toiletten.
Der ganz normale Täter
Die Taten, die sich in Unisex-Toiletten abspielen, reichen von Belästigungen, Blicke, Voyeurismus bis zu Vergewaltigungen. Die Diskussion konzentriert sich aber nur auf die schwerste Missbrauchsform, die Vergewaltigung. Indem das Problem darauf reduziert wird, erscheint das Bild des Mannes, der ausgerechnet eine öffentliche Toilette als Ort des Missbrauchs wählt, grotesk und für manche gar hysterisch. Die Ansprüche von Frauen auf Intimität und die Angst vor Alltagssexismus verblassen. So wird das Problem trivialisiert. Hinzu kommt, dass Transfrauen – inzwischen sogar in den Medien - augenblicklich nicht mehr als solche bezeichnet wird, sobald die Person sexuell übergriffig geworden ist. Sie wird dann als „angebliche Transfrau“ bezeichnet, während die Motivation selbsterklärter Transfrauen in jeder anderen Situation niemals angezweifelt werden darf. Alle Versuche von Feministinnen, für die Notwendigkeit geschlechtsgetrennter Toiletten zu sensibilisieren, für die eigentlich insbesondere vulnerable Transfrauen Verständnis haben müssten, scheitern an dieser raffinierten Verdrehungsstrategie, mit Hilfe derer niemals eine Gefahr von Transfrauen ausgehen kann.
Mehrere von Transaktivisten und Allys gepflegte Narrative führen dazu, dass geschlechtergetrennte Toiletten immer mehr in Frage gestellt, für Transfrauen – und damit durch Self ID bald für alle – geöffnet oder gleich entfernt und als Unisex-Toilette ausgewiesen werden: die Dämonisierung übergriffiger Männer auf der einen Seite und die Heiligsprechung der meist heterosexuellen Transfrauen auf der anderen. Dazu die Vorwürfe, Feministinnen würden übertreiben, ein unrealistisches, lächerliches Feindbild heraufbeschwören, Transfrauen (und Männer überhaupt) dämonisieren und ein anderes Interesse als das behauptete verfolgen. Dieses Narrativ ist besonders toxisch und perfide: Frauen wird in den sozialen Netzwerken vermehrt vorgeworfen, ein Interesse an Überwachung und Genitalien zu haben. Ihnen, die weibliche Schutzräume erhalten wollen, wird also ein Missbrauchsverhalten vorgeworfen. An der Toilettenfrage zeigt sich sehr genau, wie falsche Argumente zugunsten von Männerinteressen funktionieren.
Stimmt alles. Mir wäre noch eines wichtig: Die Ungeheuerlichkeit, dass wir jetzt die Frauentoilette verteidigen müssen, ist auch der Tatsache geschuldet, dass das Schamgefühl aus der Mode gekommen ist. Mit den Woken ist es ja so: Sie tun immer so hochmoralisch, aber man muss nur ein bisschen am Lack kratzen, und es springt einem von allen Seiten das dringende Bedürfnis entgegen, die absurdesten Kinks löffentlich zu performen und zu validieren. Und das Internet bietet dafür die ganz große Bühne und verändert bei allen Menschen, v. a. auch bei Jugendlichen, das Gespür für Grenzen, das Gespür für Intimität. Das (früher zumindest) offiziell Unübliche und Unsichtbare wird zu sichtbarer Normalität, und, gähn, was brauchts da noch die Frauentoilette.